Fertigung
16.09.2025

Brikettieren für einen geschlossenen Materialkreislauf

Everllence presst die bei der Fertigung anfallenden Gussspäne zu kompakten Briketts und schmilzt diese in der eigenen Gießerei wieder ein. Dabei kommen drei Brikettieranlagen von RUF zum Einsatz, die  mehr als tausend Tonnen Späne pro Jahr verarbeiten. Für eine Produktionserweiterung rüstet RUF nun eine der Brikettpressen auf.

Im Augsburger Hauptsitz und das Stammwerk von Everllence, bis Anfang Juni den Namen MAN Energy Solutions trug, werden unter anderem große Viertaktmotoren für Schifffahrt und Energieerzeugung sowie Turbolader produziert. Das schwerste hier gefertigte Produkt ist ein 18-Zylinder-Aggregat mit Turboaufladung, das 21.600 Kilowatt leistet und 270 Tonnen wiegt. Den Ausgangspunkt der Fertigung bildet die seit 1844 betriebene Eisengießerei. Dort entstehen Motorenteile von 300 kg bis 120 t aus Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL) und Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS), auch für Everllence-Standorte im französischen Saint-Nazaire und im indischen Aurangabad sowie für externe Kunden.

Hoher Handlingaufwand durch lose und nasse Späne

Neben dem Einsatz von bis zu 90 % Sekundärrohstoffen und überwiegend Grünem Strom zum Schmelzen, schließt das Unternehmen unmittelbar im Betrieb den Materialkreislauf, indem es Gussspäne aus der spanenden Bearbeitung zur erneuten Verwendung einschmilzt. Dabei spielen drei Brikettpressen der Firma RUF eine
zentrale Rolle, denn vor Einführung der Brikettiertechnologie verursachte der geschlossene Materialkreislauf erhebliche Schwierigkeiten. „Das Handling der
nassen Späne war für uns immer ein großes Problem“, erklärt Erwin Schuster, der die Zylinderkurbelgehäusefertigung leitet. Denn lose und in nasser Form – noch mit Kühlschmierstoffen (KSS) behaftet – verursachten die Späneloren auf dem Transport von der Zerspanung in die Gießerei deutliche Verschmutzungen. Zudem benötigt die Gießerei möglichst trockenes Einsatzmaterial, um es effizient und gefahrlos einschmelzen zu können.

Die Lösung für das Problem fanden die Produktionsplaner bei RUF. Das Unternehmen lieferte bereits 1999 die erste Brikettpresse. Die Anlage vom Typ RB 15/3000/80 arbeitet bis heute zuverlässig in der Zylinderkopffertigung und produziert pro Monat etwa 100 t Briketts. Unter hohem Druck pressen die Anlagen von RUF Metallspäne – oder auch andere Materialien – vollautomatisch zu kompakten Briketts, die sich leicht handhaben lassen und viel weniger Volumen beanspruchen, als lose Späne. Wichtig dabei ist, dass sich hochverdichtete Spänebriketts ebenso gut einschmelzen lassen wie Gussbruch aus Vollmaterial.

Briketts lassen sich problemlos einschmelzen

Extrem wichtig in der Metallverarbeitung ist, dass dabei auch an den Spänen haftende Kühlschmierstoffe (KSS) nahezu komplett herausgepresst werden. Dadurch sind die Briketts weitgehend trocken. Gleichzeitig kann der ausgepresste KSS gesammelt und oftmals erneut verwendet werden.

Für das Einschmelzen der Produktionsreste bringen der geschlossene Materialkreislauf und die Brikettierung mehrere Vorteile. Tobias Rist, Betriebsingenieur im Schmelzbetrieb, erläutert: „Wir kennen die Zusammensetzung der Briketts sehr genau, da sie ja aus dem von uns selbst hergestellten Gusseisen entstehen. Somit können wir sie hervorragend zur Gattierungsoptimierung nutzen.“ Weil die Briketts weitgehend frei von Kühlschmierstoffresten sind, kommt es zu einer viel geringeren Rauchentwicklung und es können einige Maßnahmen bei der Absaugung und Abgasreinigung entfallen. Üblicherweise kommen die Briketts mit Restfeuchten von ein bis drei Prozent aus den Pressen. Wenige Tage Lagerung lassen den Wert weiter fallen.

Briketteinsatz im Netzfrequenz- wie im Mittelfrequenzofen

Eine Besonderheit in der Gießerei bei Everllence ist, dass die Einsatzstoffe sowohl im Netzfrequenz- als auch im Mittelfrequenzofen geschmolzen werden. Während im
90 Mittelfrequenzofen in den komplett entleerten Ofen chargiert wird, ist es im Falle des Netzfrequenzofens wichtig, dass die minimal feuchten Briketts nicht direkt in das flüssige Gusseisen chargiert werden. Hier wird zunächst Gussbruch und anderer Schrott zugeführt, bevor – ohne Berührung mit dem flüssigen Eisen – der Anteil Spänebriketts eingesetzt wird, die von der heißen Schmelze unterhalb getrocknet werden. Die hoch verdichteten Briketts koppeln dabei perfekt und schmelzen komplett mit hoher Metallausbeute auf.

Geschlossener Kreislauf ermöglicht Kosteneinsparung

Der geschlossene Materialkreislauf mit kurzen Wegen ist nicht nur umweltschonend und produktionstechnisch vorteilhaft, bringt auch wirtschaftliche Vorteile. Denn der Einsatz der Spänebriketts ist kostengünstiger als zugekaufter Eisenschrott. Aus den Rückmeldungen verschiedener RUF-Kunden ergibt sich ein Erfahrungswert von rund 120 €/t als Kostenvorteil. Da sich die erste Presse überzeugend bewährte, installierte Everllence 2005 und 2008 zwei weitere Brikettieranlagen von RUF; diesmal in der Fertigung für Zylinderkurbelgehäuse. Eine Presse – die RUF RB 15/3700/100– verarbeitet monatlich etwa 20 t Späne von drei Fünf-Achs-Bearbeitungszentren. Die zweite vom Typ RUF 18,5/3700/100 ist den beiden riesigen Gantry-Portalfräsmaschinen zugeordnet, welche die größten, bis zu 100 t schweren Gussteile bearbeiten und Pro Monat 40 t Gussspäne erzeugen. Die Briketts sind bei einem Durchmesser von 100 mm ungefähr 80 mm lang und wiegen circa 3,5 kg.

Die Pressen von RUF arbeiten vollautomatisch und sind für einen mannlosen 24/7-Betrieb ausgelegt. Sie starten und stoppen ohne weiteres Zutun, wenn im Spänetrichter genügend Material vorhanden, beziehungsweise wenn es abgearbeitet ist. Lediglich die Behälter, in denen die fertigen Briketts gesammelt werden, müssen ausgetauscht werden, wenn sie voll sind. Dabei wird der Betrieb so gesteuert, dass  Briketts von Gusseisen mit Kugelgrafit von anderen Gusseisensorten in
verschieden markierten Behältern getrennt erfasst werden. So können diese legierungsgerecht eingeschmolzen werden. Der Wartungsaufwand ist ebenfalls  gering. „Die Anlagen laufen enorm zuverlässig, nur sporadisch muss unsere Instandhaltungsabteilung etwa Dichtungen ersetzen oder kleine Ersatzteile einbauen“, berichtet der Maschinen- und Anlagenplaner Ralph Fritz.

Herausforderung: stark schwankende Spänemengen

Eine große Herausforderung besteht in den stark schwankenden Spänemengen, die bei der Fertigung der riesigen Zylinderkurbelgehäuse auf den Portalfräsmaschinen entstehen. Zwar laufen die Späneförderer an den Fräsmaschinen kontinuierlich, doch wenn beispielsweise ein 88 t schweres Gussteil bearbeitet wird, entstehen rund 14 t Späne, von denen große Mengen zunächst auf dem Arbeitstisch oder im Bauteil zurückbleiben. Sie werden erst nach Abschluss der Bearbeitung von Tisch und Bauteil auf die Förderbänder geschaufelt, sodass dann auf einen Schlag große Spänemengen anfallen. Daher hatten die Experten von RUF und Everllence sich schon
2008 für einen vorgeschalteten, etwa 1,5 m3 fassenden Trichter an der Brikettpresse entschieden und die Brikettieranlage auf eine Spitzenlast von 800 kg/h ausgelegt.

Nun erweitert Everllance die Fertigung um eine dritte Gantry-Portalfräsmaschine, was die Spänemenge auf 60 t/mon wachsen lässt und eine Aufrüstung der Brikettieranlage erfordert. Dabei war eine zentrale Frage, ob es sinnvoller ist, die nun fast 17 Jahre alte Presse weiter zu nutzen oder eine neue zu installieren. Die Experten von RUF gaben als klare Empfehlung, die vorhandene Anlage weiter zu nutzen, da sie noch gut in Schuss ist. Die Aufrüstung der Anlage für die wachsenden Spänemengen ist dennoch eine komplexe Aufgabe, da die Platzverhältnisse sehr beengt sind. Aber die technischen Herausforderungen konnten gemeinsam alle im Vorfeld gelöst werden. Letztendlich baut RUF vor allem einen um ein Drittel größeren Spänetrichter ein und integriert neue Steigförderer und Notaustragsförderer in die Anlage.

Beitragsbild: RUF