Mitte November hatte die Bundesregierung einen Industriestrompreis für energieintensive Branchen angekündigt. Berichtet wurden 5 Cent pro kWh bereits ab 2026. Das ist irreführend – denn der aktuelle Entwurf sieht ganz anders aus.
Viele energieintensive Branchen hatten in den vergangenen Jahren die Einführung eines Industriestrompreises gefordert. Wurde zu Anfang nur davon geredet, fand das Thema dann im Frühjahr 2025 Eingang in den aktuellen Koalitionsvertrag. Die Ankündigungen der Bundesregierung im November führten in der Öffentlichkeit zu dem irreführenden Eindruck, Unternehmen würden bereits ab 2026 von einem Strompreis von 5 Cent pro kWh profitieren und das Thema „Wettbewerbsfähigkeit“ sei damit gelöst.
Die bisherige Faktenlage und der sehr enge Rahmen der EU-Kommission sprechen eine andere Sprache. Förderfähig sind demzufolge lediglich 50 % der Abnahmemenge und maximal 50 % des durchschnittlichen Börsenpreises eines Jahres. Zudem müssen 50 % des Beihilfebeitrages in ökologische Gegenleistungen investiert werden, unabhängig davon, ob diese wirtschaftlich sind.
Die Unterstützung, die auf drei Jahre beschränkt ist, orientiert sich darüber hinaus an der KUEBLL-Liste, nach der Stahl- und Leichtmetallgießereien noch in einem längeren und unsicheren Verfahren nachgelistet werden müssten und Buntmetallgießer darauf völlig fehlen. Bei nachträglicher Kostenerstattung wird es im laufenden Jahr 2026 keine Entlastung geben.
Bewertung des Entwurfs
Nach Daten des Bundesverbands der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG) haben Gießereien im Jahr 2024 durchschnittlich circa 24 Cent pro kWh für Strom bezahlt – inklusive Netzentgelten, Steuern und Umlagen. Der nun vorgestellte Industriestrompreis, gedacht als ein „ergänzendes Förderinstrument“, führt aufgrund der restriktiven Vorgaben des EU-Beihilferechts nur zu einer tatsächlichen Entlastung von rund einem Cent pro kWh, sodass ein realer Preis von 23 statt 24 Cent zu zahlen wäre. Dieser Betrag ist weit entfernt von den in der Öffentlichkeit diskutierten 5 Cent.
Im Verhältnis zu den gesamten Strombezugskosten beläuft sich die Entlastungswirkung auf etwa 5 % (Bild 1). In der aktuell vorliegenden Form verfehlt der so angedachte Industriestrompreis vollständig die Grundidee, über eine wirksame und durchgreifende Reduktion der Stromkosten die nachteilige Situation der deutschen energieintensiven Industrie im internationalen Wettbewerb (Bild 2) zu verbessern.
Für die Gießerei-Industrie kommt erschwerend hinzu, dass mehr als die Hälfte der Branche in Form von Stahl-, Leichtmetall- und Buntmetallgießern vollständig von diesem Förderinstrument ausgeschlossen ist. Sollte sich die von der EU-Kommission offenbar favorisierte Methodik der nachträglichen Kostenerstattung durchsetzen, würde das außerdem eine Entlastung ähnlich der ehemaligen Besonderen Ausgleichsregelung des EEG bedeuten: Mit den Verbräuchen und Kosten des Jahres 2026 wird im Jahr 2027 die Entlastung beantragt und die tatsächliche Entlastung wird dann erst 2028 wirksam. Gerade in der aktuellen Krisensituation wäre jedoch akute Soforthilfe notwendig gewesen. Dies gilt allemal für die deutsche Gießerei-Industrie, die sich aufgrund hoher Energie- und weiteren Standortkosten in Verbindung mit einer schwachen Nachfrage wichtiger Kundengruppen und wachsendem, oftmals unfairen internationalen Wettbewerb in einer existentiellen Strukturkrise befindet.
Anforderungen an einen echten Industriestrompreis
Die Initiative der Bundesregierung ist ein wichtiger und begrüßenswerter erster Schritt. Klar ist aber auch: Das Ausschöpfen des aktuellen CISAF-Rahmens reicht bei weitem nicht aus. Hier muss die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission auf eine deutliche Erweiterung hinwirken. Ein wirksamer Industriestrompreis muss im Ergebnis eine signifikante Entlastung der Gesamtkosten in Form eines verlässlichen Kostendeckels zur Herstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sein. Dazu gehören folgende Parameter:
- Einbeziehung aller stromintensiven Segmente der Gießerei-Industrie in den Begünstigtenkreis
- Kombinierbarkeit von Industriestrompreis mit der Strompreiskompensation (SPK) sowie mit anderen Entlastungen und Förderungen, damit ein wirksames Gesamtpaket entsteht, das internationale Wettbewerbsfähigkeit ermöglicht
- Hierzu muss die Bundesregierung aktiv dazu beitragen, dass die sogenannten KUEBLL- und SPK-Listen erweitert werden und Lösungen für Branchen gefunden werden, die zwar strom- und handelsintensiv sind, für die aber keine hinreichenden Daten auf EU-Ebene zur Verfügung stehen.
- Gewährung einer wesentlich längeren Entlastungszeit für einen hinreichenden Planungshorizont für die Unternehmen, damit tatsächlich Investitionsentscheidungen getroffen werden können, die den Standort sichern
- Unmittelbare Entlastung bereits in 2026 statt laufendem Verfahren
- Eine mittelstandstaugliche Ausgestaltung der – ggf. auch Verzicht auf – die ökologischen Gegenleistungen und vereinfachte Verfahren gerade für KMUs und MitCaps
Der BDG informiert seine Mitgliedsunternehmen regelmäßig zu aktuellen wirtschaftspolitischen Entwicklungen. Mit Blick auf den Industriestrompreis erfolgte dies zuletzt in Form eines virtuellen Spezialformats, das die im Beitrag genannten Handlungsforderungen der Branche, EU-Vorgaben, Förderhöhen und -verfahren sowie das Instrument der ökologischen Gegenleistungen im Detail erläuterte. In diesem Rahmen hatten die teilnehmenden Betriebe auch die Möglichkeit, Ihre Anmerkungen zum Thema an die im politischen Berlin vernetzten Referenten des Verbands heranzutragen und dadurch deren Arbeit mitzugestalten.
Weiterführende Informationen unter: www.guss.de
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