Forschung
Auf dem S-Max-Pro 3-D-Formstoffdrucker der Fa. ExOne wird neben Grundlagenforschung im Bereich der anorganischen additiven Fertigung auch anwendungsnahe Forschung betrieben. - © GTK
08.05.2023

Erweiterung des hochmodernen Maschinenparks mit EU-Fördermitteln

Seit Dezember 2022 reihen sich mit einer Rheoguss-Anlage der Fa. Comptech aus Schweden und einem 3-D-Formstoffdrucker zur Herstellung anorganischer Formen und Kerne der Fa. ExOne gleich zwei neue Anlagen in den hochmodernen Maschinenpark des Fachgebiets für Gießereitechnik der Universität Kassel (GTK) ein. Die Neuanschaffungen haben ein Gesamtvolumen von über 2 Millionen Euro und konnten über das REACT-EU Programm „EU NextGeneration“ erfolgreich eingeworben werden.

Die neuartige RheoMetal-Anlage ist zum Gießen von teilflüssigen Aluminiumlegierungen in die Druckgießzelle der bestehenden Druckgießmaschine Bühler-Carat-140 am GTK integriert worden. Dabei wird das teilflüssige Vormaterial vollautomatisiert über einen Nebenprozessschritt im sogenannten Slurry-Maker hergestellt und dem Druckgießprozess zugeführt. Die Anlage besteht aus einem elektrischen Warmhalteofen der Fa. Stotek mit einem Fassungsvermögen von ca. 1200 kg Aluminiumschmelze, einem Eigenmaterial-Dosiersystem, einer Rühreinheit und einem Dosierroboter. Bei einem variablen Schussgewicht zwischen drei und zwölf Kilogramm kann so eine hohe Prozessstabilität gewährleistet werden. Der RheoMetal-Prozess bietet verschiedene Vorteile gegenüber dem konventionellen Druckgießprozess. Diese sind in der globulitischen Struktur des teilflüssigen Gießmaterials und seiner daraus resultierenden geringen Scherfestigkeit im Vergleich zur dendritischen Struktur der erstarrenden Schmelze im konventionellen Druckgießen begründet.

Aufgrund der besonderen Eigenschaften des Gießmaterials können im Rheo-Metal-Prozess geringere Formfüllgeschwindigkeiten mit einer sehr laminaren Strömung bei gleichzeitig längeren Fließwegen und geringerer Schwindung erzielt werden. Zudem wird die Verarbeitung von siliziumarmen Aluminiumlegierungen ermöglicht. Die Industrie verfolgt die Entwicklungen im Rheoguss mit großem Interesse. So wurde direkt mit der Inbetriebnahme der Anlage im „Industrieförderkreis Gießereitechnik – innovativer Gussleichtbau“ des Fachgebiets das Forschungsprojekt „Chancen und Möglichkeiten der RheoMetal-Technologie“ ins Leben gerufen. Kern des Projekts ist die Untersuchung des Verarbeitungsprozesses von teilerstarrter Schmelze unter Verwendung des RheoMetal-Prozesses.

Der 3-D-Formstoffdrucker „S-Max Pro“ ermöglicht Grundlagenforschung über die Materialeigenschaften additiv gefertigter Formen und Kerne mit anorganischen, umweltfreundlichen Bindersystemen. Aktuell bremst der rudimentäre Kenntnisstand über anorganisch gedruckte Formen eine weitreichende Anwendung dieser vielversprechenden Technologie im industriellen Maßstab häufig noch stark aus. Die 1800 x 1400 x 400 mm3 große Job-Box des Druckers erlaubt zudem die Herstellung komplexer Formen und Kerne, sodass auch die anwendungsbezogene Forschung zur konstruktiven Auslegung und Umsetzung eine zentrale Rolle am GTK spielen wird. Der Drucker arbeitet mit dem Binder-Jetting-Verfahren und erzielt auf der horizontalen Ebene eine Auflösung von ca. 250 bis 1270 dpi (abhängig von der Bewegungsrichtung) und die minimale Schichtdicke liegt bei 0,28 mm. Dies ermöglicht die präzise Fertigung von Strukturen, die von den Raumachsen abweichen. Somit liegen die Vorteile der additiven Fertigung in erste Linie in der Herstellung hochkomplexer Formen, die mit klassischen Verfahren nicht oder nur sehr aufwendig realisierbar wären, sowie in der Effizienz und Reproduzierbarkeit des Verfahrens.

Seit Ende 2022 steht zudem die neue Magnesium-Warmkammer-Druckgießmaschine W200 als Dauerleihgabe der „Oskar Frech GmbH + Co. KG“ dem GTK zu Forschungszwecken zur Verfügung. Sie erzielt eine maximale Zuhaltekraft von 2200 kN und eine maximale Gießkraft von 130 kN. Der Widerstandsofen kann mit bis zu 200 kg Magnesium bestückt werden und arbeitet mit einer vollständig elektrischen Beheizung des Gießaggregats. Mit einem variablen Gießkolbendurchmesser von 70, 80 oder 90mm wird mit einem Gießhub von 175 mm ein maximales Gießvolumen von 856 cm3 bei einem spezifischen Gießdruck von 204 daN/cm2 erreicht. Auf der Anlage soll neben der Temperaturführung der Schmelze über eine gezielte, segmentiert regelbare, elektrische Beheizung des Gießaggregats auch die Effizienz der notwendigen Schutzgastechnologie optimiert werden. Weitere Forschungsschwerpunkte sind geplant für den Vakuumeinsatz im Mg-Warmkammer-Druckguss, den Einsatz des Frech-Gating-Heißkanalsystems, sowie der Fertigung großer MG-Gussteile auf kleinen Maschinen, welche konventionell mit deutlich höheren Schusskräften produziert werden müssten.

Neben der Forschung wird die Warmkammer-Druckgießmaschine eine zentrale Rolle in der Ausbildung des studentischen Nachwuchses bilden. Im Rahmen der Vorlesung „Modernes Druckgießen im Kontext von Industrie 4.0“ und des Praktikums „Modernes Mg-Warmkammerdruckgießen“ vom externen Gastdozenten Dr. Norbert Erhard erhalten die Studierenden einen tieferen Einblick in die Technologie der Warmkammer-Druckgießmaschine und dürfen Gießparameter berechnen, einstellen und selbstständig die Maschine bedienen.

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