Forschung
05.09.2025

Resilienz-Strategien für die Metallindustrie

Der Großteil der metallbe- und -verarbeitenden Unternehmen im deutschsprachigen Raum ist bis heute allenfalls in Ansätzen digitalisiert. Das macht die Branche krisenanfällig. Ein Forschungsteam vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA will das ändern, indem es Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette über eine digitale Plattform miteinander vernetzt.  

Covid-19, der Ukrainekrieg und plötzliche Störungen entlang der Lieferkette wie etwa die Blockade des Suezkanals im Frühjahr 2021: Das sind drei der schwersten Schocks, mit denen metallbe- und -verarbeitende Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum in den vergangenen zehn Jahren fertig werden mussten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in der Studie „Schocks und Risiken in der Metallindustrie“, die Ende des Jahres online in der Fachzeitschrift wt Werkstattstechnik erscheinen soll. Dazu wurden 20 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter befragt, die einschlägige Fachliteratur analysiert und bis zum 21. September 2025 läuft noch eine Online-Umfrage. Dabei fragen die Wissenschaftler auch ab, wie die Unternehmen auf diese Krisen reagierten. Entstanden ist die Studie im Rahmen des Forschungsprojekts „Resilienzsteigerung in metallbe- und -verarbeitenden Unternehmen durch ein vernetztes Plattform-Ökosystem“ (RESIPLAT).  

Aus Einzelkämpfern soll eine schlagkräftige Truppe werden 

Die Branche besteht zu etwa 90 Prozent aus kleinen und mittelständischen Unternehmen, bei denen Automatisierungslösungen und durchgängig digitalisierte Informationsflüsse oft noch wenig etabliert sind. Handarbeit und Laufzettel sind noch häufig anzutreffen. „Krisen treffen diese Unternehmen häufig völlig unvorbereitet“, sagt Mirko Schneider vom Forschungsteam Digitalisierungsstrategie und Technologiemanagement am Fraunhofer IPA. „Dann wird hastig ein Krisenstab einberufen, der nach geeigneten Gegenmaßnahmen sucht. Die sind in der Regel aber nicht nachhaltig. Vorgesorgt wird, indem große Vorräte angelegt oder mehrere Lieferanten qualifiziert werden. Damit betreibt man dauerhaft mehr Aufwand als nötig wäre.“   Gegensteuern will das Team um Schneider, indem sie Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette miteinander vernetzen. Bis Ende 2027 soll eine digitale Plattform entstehen, deren zentraler Bestandteil ein Resilienz-Managementsystem sein wird. Darüber sollen die beteiligten Unternehmen untereinander Informationen austauschen über ihre Bedarfe, vorrätigen Materialien und Fertigungskapazitäten, sodass in Krisenzeiten ein Ausgleich geschaffen werden kann. Aus lauter Einzelkämpfern soll also eine schlagkräftige Truppe geformt werden, die Krisen frühzeitig erkennt und gemeinsam abwendet. 

Grundstein für die Digitalisierung der Branche

Die digitale Plattform soll aber auch den Grundstein legen für die Digitalisierung der Unternehmen. Das Resilienz-Managementsystem soll diese nämlich nicht nur entlang der Wertschöpfungskette miteinander vernetzen, sondern auch unternehmensintern Transparenz über die eigenen Produktionsprozesse und Lagerbestände schaffen. Nur so lassen sich Maschinenstillstände und Qualitätsabweichungen frühzeitig erkennen und vermeiden. „Voraussetzung ist aber, dass man den ein oder anderen Prozess automatisiert oder digitalisiert, einzelne Sensoren anbringt und die Zettelwirtschaft abschafft“, sagt Schneider. Die dritte Maßnahme innerhalb des RESIPLAT-Projekts sind Resilienzschulungen für Mitarbeiter sowie die Einführung von agilen Organisationsstrukturen. Schließlich ist es in Krisenzeiten wichtig, dass alle Beschäftigten wissen, was zu tun ist, und ihre Kompetenzen schnell und unbürokratisch einbringen können.  

Erster Klick-Dummy auf Basis der Studienergebnisse

Die Erkenntnisse aus der Studie „Schocks und Risiken in der Metallindustrie“ wollen die Wissenschaftler für die Entwicklung der digitalen Plattform nutzen. Als erstes in Angriff nehmen wollen sie eine Übersicht über die Materialbestände der Unternehmen, die am Forschungsprojekt RESIPLAT teilnehmen. „Zunächst wollen wir das als Klick-Dummy umsetzen und unseren Projektpartnern zur Verfügung stellen. Ihr Feedback nutzen wir dann, um diesen ersten Bestandteil der digitalen Plattform weiterzuentwickeln“, sagt Schneider. Parallel dazu sollen erste Konzepte für die Resilienz-Schulungen entstehen. 

Beitragsbild: Fraunhofer IPA