Fertigung
Prozessoptimierung durch die Verkettung von bis zu vier S-Max-Pro-3-D-Druckern mit einer automatischen Entsandungsstation. - © EXONE
13.04.2022

Schrittweise in die grüne Gießerei

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GIESSEREI
Strengere Vorgaben beim Umwelt- und Arbeitsschutz, höhere Anforderungen der OEM an die Nachhaltigkeit der Supply Chain, wachsendes Umweltbewusstsein: Die Gießerei-Industrie steht am Wendepunkt. Die Umstellung auf anorganische Bindemittel verspricht geringere BTEX-, CO2-, Geruchs- und Lärmemissionen und bessere Arbeitsbedingungen, ist aber mit organisatorischem und finanziellem Aufwand verbunden. Anorganisches 3-D-Drucken hingegen lässt sich in die vorhandene Umgebung integrieren und ermöglicht einen Einstieg in moderne und nachhaltige Verfahren der Form- und Kernherstellung.
 
Green Foundry, die grüne Gießerei, kann in Sachen Nachhaltigkeit in der Metallverarbeitung, speziell in der Automotive-Branche eine Schlüsselrolle spielen, wenn sie die damit verbundenen Herausforderungen annimmt. Mit gewichtsoptimierten Produkten, zum Beispiel aus Aluminium, für den automobilen Leichtbau, einer energieeffizienteren, umweltverträglichen Fertigung und neuen formgebenden Verfahren kann sie sich an der Schnittstelle zwischen Rohmaterial und Bauteil neu erfinden. Ein technologischer Treiber dieser Entwicklung ist das 3-D-Drucken. Beim sogenannten Binder-Jetting wird ein pulverförmiges Material schichtweise mit einem Bindemittel verklebt. Dieses additive Verfahren ermöglicht einerseits die Herstellung komplexer Kerne und Formen, die dem Konstrukteur einen erheblich größeren Freiheitsgrad bieten als konventionelle Verfahren, andererseits aber auch die direkte Produktion von Bauteilen in nahezu beliebigen Stückzahlen vom Prototypen bis zur Serie. Damit ist es ein konkurrierendes Verfahren zum traditionellen Formenbau, aber auch eine Chance, mit dieser Erweiterung des Portfolios die Wettbewerbsposition zu stärken.
© EXONE
Das Herzstück der Binder-Jetting-Fertigung ist der S-Max- Pro Sand-3-D-Drucker. © EXONE

Nachhaltige Kette

Beim 3-D-Drucken von Kernen und Formen kommen immer häufiger anorganische Bindemittel zum Einsatz. So setzt der Technologieführer ExOne für die anorganische Serienproduktion von Sandkernen mit der S-Max-Pro auf Wasserglas basierende Binder ein. Das modulare System besteht aus dem S-Max-Pro Sand 3-D-Drucker mit Siemens SPS-Steuerung, einer Mikrowellen-Station, der automatischen Entsandungsstation, einer Jobbox und der dazugehörigen Fördertechnik. Die bei organischen Bindern zwingend notwendige und teure Entlüftungstechnik zur Abführung toxischer Emissionen ist nicht erforderlich. Nach dem Drucken der Kerne werden sie, je nach Volumen und Geometrie, für einen Zeitraum von wenigen Minuten bis zu rund 45 Minuten in der Mikrowelle getrocknet und ausgehärtet sowie anschließend in einem Bruchteil der sonst benötigten Zeit automatisch entsandet. Der ungebundene Sand wird als Recyclingsand für folgende Druckprozesse wiederverwendet, was eine Nachhaltigkeit über die gesamte Kette gewährleistet. Nach dem Finishing können die Kerne trocken eingelagert oder unmittelbar in die Kokille eingelegt und für den Gießprozess genutzt werden. Die gießtechnischen Eigenschaften und die Festigkeit der Kerne lassen sich über das Anschnittsystem steuern.

Mitwachsende Systemtechnik

Durch die hohe Modularität der Systemlösung und die Leistung der einzelnen Komponenten in der Peripherie kann die Anlage über die Zeit wachsen und sich ändernden Durchsätzen anpassen. Jeweils eine Mikrowelle und Entsandungsstation können mit bis zu vier Sand 3-D -Druckern kombiniert werden, Kernentnahme, Feinentsandung und Qualitätskontrolle lassen sich mittels Robotik nahezu beliebig automatisieren. Damit bietet sie einen relativ unkomplizierten Einstieg in die Welt der anorganischen Binder und die Möglichkeit, sukzessive zu dem umweltfreundlichen Verfahren zu migrieren.

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Automatische Entsandung und Entpackung von komplexen Formgeometrien. © EXONE

Physikalische Grenzen aufgehoben

Weltweit haben organische Bindemittel einen erheblich größeren Marktanteil als anorganische. Das liegt nicht nur daran, dass eines der Verfahren viel jünger ist als das andere. Anorganische Binder sind (noch) nicht für jeden Einsatzzweck geeignet. Speziell das Hitzeverhalten oberhalb von 900°C (unkritisch in der Regel beim Aluminiumguss, problematisch in der Stahlverarbeitung) setzt physikalische Grenzen. Diese lassen sich nicht wegdiskutieren, werden aber kontinuierlich erweitert. ExOne arbeitet wie zahlreiche Institute und Forscher auch daran, die Verglasung bei höheren Temperaturen u.a. durch Beimischungen zu verhindern. Aktuell aber ist individuell die Frage zu stellen, ob der Prozess des anorganischen Binder Jetting (schon) zu dem jeweiligen Produktportfolio passt. „Early adopters“, Unternehmen also, die einen Blick in die Zukunft der Gießereitechnik werfen und prüfen wollen, ob die Technologie im eigenen Betrieb schon zum Einsatz kommen kann, können das in Pilotprojekten gemeinsam mit ExOne testen.

Organische Binder: grünes Potenzial

Derweil haben auch die organischen Bindemittel ihr Nachhaltigkeitspotenzial noch nicht ausgeschöpft. Mit modifiziertem Furanbinder beispielsweise, frei von Resorcin und BPA, hat ExOne bereits beste Ergebnisse im Hochtemperaturbereich erzielt. Mittel- bis langfristig werden anorganische Binder für alle Temperaturbereiche zur Verfügung stehen. Bis es soweit ist, sollten Gießereien eine zweigleisige Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen: Beim Leichtmetallgießen bei Temperaturen bis 900 °C ist nach Möglichkeit dem anorganischen Binder und der ExOne S-Max-Pro Sand der Vorzug zu geben. Darüber hinaus gibt es mit dem kennzeichnungsarmen ExOne Furan eine organische, aber umweltfreundliche und sichere Alternative zu konventionellen Materialien.
 
 
 
von Andreas Müller, Gersthofen

 

Schlagworte

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